Samstag Mittag. Freundschaftsspiel zwischen der Lindenauer C-Jugend und der U15 von Leipzig United F.C./VfK Blau-Weiß Leipzig. Alltag auf dem Charlottenhof.
Naja, vielleicht nicht ganz: die beiden Teams erhalten Besuch in der Kabine. Nicht irgendwer setzt sich zwischen die Jungs – es sind DFB-Präsindent Wolfgang Niersbach, Weltmeister Shkodran Mustafi und sein Nationalmannschaftskollege Kevin Volland. Ein bisschen Smalltalk, dann sind die Jungs aufgetaut, stellen Fragen an ihre Vorbilder. Beeindruckt von den 72 Toren in 5 Spielen der Falken gibt Wolfgang Niersbach zu, stets Sympathien für die Außenseiter zu haben. Die Lindenauer Spieler tippen dennoch auf ein 5:0 für sich.
Natürlich ist Wolfgang Niersbach nicht wegen diesem Freundschaftsspiel nach Lindenau gekommen. Vielmehr ist es eine Anerkennung für die Integrationsarbeit der ’48er. Seit über anderthalb Jahren spielen Flüchtlinge im Verein. Nicht in extra-Teams, sondern als Teil bestehender Mannschaften im normalen Ligabetrieb. Seit einer Zeit also, als die „Flüchtlingskrise“ zumindest die Medien- und Politikbranche noch nicht erreicht hat. Heute kommen 20mal mehr Flüchtlinge nach Leipzig als noch vor fünf Jahren – Tausende, die jeder so verschieden sind wie du und ich. Manche eher Stubenhocker, viele aber auch gern draußen und sportlich unterwegs. Fußball ist da oft die Sportart erster Wahl.
Wie Fußball ein wichtiger Teil erfolgreicher Integration von Flüchtlingen in Deutschland sein kann, wurde dann auch in einer erlesenen Runde aus Vertretern der Verbände, der Stadt und der Medien durch im Verein spielende Flüchtlinge sowie deren Trainern geschildert. Rody Meilicke, der vor 13 Jahren aus Syrien nach Deutschland kam und heute waschechter Lindenauer und Trainer unserer F-Junioren ist, ist dafür natürlich ein Paradebeispiel. Peter Schön von United F.C. schilderte, wie man die Jungs über Straßenfußball und Vereinskooperationen in den deutschen Alltag integrieren kann – dafür ist auch schonmal Hausaufgabenhilfe nötig. Abteilungsleiter Ralf Wittke vom SV Lindenau 1848 konnte aus Vereinssicht schildern, dass am Ende mehr Nutzen als Kosten aus einer Öffnung des Vereins auch für Menschen in Not resultieren – schließlich kommen so nicht nur talentierte Fußballer, sondern auch neue Trainer in den Verein. Die Spielereltern Bassam und Walid sowie Razan aus der Zwoten konnten dann durch ihre Beiträge eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass Aufenthalt auf dem Fußballplatz dem Erwerb der Deutschen Sprache jedenfalls nicht im Weg steht.
Damit es anderen Vereinen möglichst leicht gemacht wird, wurde kürzlich unter Patenschaft von RB Leipzig das Bündnis „Willkommen im Fußball“ ins Leben gerufen, das mittels Fördermitteln vom Bund und privaten Geldgebern die Koordination und Unterstützung von Fußballangeboten für Flüchtlinge durch Amateurvereine übernehmen wird. Ingo Hertzsch von RB konnte berichten, dass neben dem SV Lindenau 1848 und dem SV Eintracht Leipzig Süd bereits 15 weitere kleine Klubs ihre Teilnahme am Bündnis in Aussicht gestellt haben.
Auch die ’48er werden in dieser Sache natürlich weiter am Ball bleiben – oder besser: die Leute an den Ball holen. Vielleicht können in Zukunft ja noch mehr Sportler bei uns Fußball spielen. Auch im Winter auf einem Kunstrasenplatz. Und vielleicht auch einige, die dann „Ex-Flüchtlinge“ und Neu-Leipziger sein werden. Auf jeden Fall ’48er.
Der sportliche Höhepunkt des Tages endete übrigens 4:0 für die Lindenauer C-Junioren – ein Tor weniger als in der Kabine selbstbewusst prognostiziert. Und Sportfreund Rody schoss auch noch ein Derby-Tor beim 5:3-Sieg der Ü33 gegen den benachbarten SV West ’03. Ein (unvergesslicher All-)Tag für die Fußballer des SV Lindenau 1848 eben!
Text: Björn Mencfeld
Fotos: Ralf Wittke